Wer braucht schon überall Malediven?

Wie wäre es, auf einen schönen Gipfel ohne Bergbahnen zu gelangen? Aber gleichzeitig nicht extrem lange wandern zu müssen und nach dem freudigen Handschlag mit dem Gipfelkreuz knieschonend ins Tal zu kommen? Die geführten E-Mountainbike-Touren im BergePLUS Programm haben meine Aufmerksamkeit voll geweckt, darunter die Bike & Hike-Angebote. Das könnte das perfekte Zusammenspiel sein!

Bike & Hike zur Davenna  Impression #1

Zwischen Juni und Anfang Oktober werden im Rahmen des BergePLUS Programms täglich zwei geführte E-Bike-Touren angeboten (samstags nur eine), darunter auch Bike & Hike-Touren. Bei meiner Anmeldung erfahre ich, dass eine weitere Tour ins Programm aufgenommen werden soll und ich deshalb als einzige Teilnehmerin dabei bin. Passt auch, die Guides richten sich hier eh immer perfekt nach den Fähigkeiten der Teilnehmer, egal wie groß oder klein die Gruppe ist. Erstaunlich: Die Touren starten immer, auch mit nur einer Person, dann eben mit Privat-Guide :).

Biketour geht immer, oder?

Schönes Wetter kann jeder. Die mystische Stimmung im leichten Nass nach drei Monaten Trockenperiode hat hingegen ihren ganz eigenen Reiz. Aufsteigende Nebelschwaden, Wolkendecken und Nieselregen, der einem gar nichts ausmacht, wenn man den Turbo-Knopf bedient;). Ein E-Mountainbike macht jede Strecke zum Genuss, selbst bei unbeständigem Wetter, denke ich.
Nach dem Mountainbike-Verleih, was problemlos verläuft, startet Guide Michael mit mir gemütlich auf dem Radweg entlang der Ill im leichten Gefälle bis nach St. Anton im Montafon. So. Jetzt schaunmermal, wer mehr draufhat: die Waden oder der Knopf am linken Griff. Letzterer gewinnt. Der Tag ist ja noch lang;). Nach ersten Kehren und einer langgezogenen Strecke nach Bartholomäberg blicken wir hinab ins Tal und entdecken Vandans mit dem imposanten Staubecken. Und dem noch imposanteren Bauwerk, das ins Staubecken hineinragt. „Alles Büroräume“, erfahre ich von Michael. Okay, da unten geht es ja auch um viel: Energie pur, wie ich später beim Schauraum Latschau noch erfahren werde. 

Energie pur spüren wir auch in den Beinen, die einfach treten wollen, um warm zu bleiben. Nach einigen Kehren entlang Wiesen und letzten Häusern biegen wir rund 800 Höhenmeter später auf einen Schotterweg ab. Und sehen es schon bald, das Alpengasthaus Rellseck. Und wer hätte das gedacht: Selbst beim Platzregen, der uns mittlerweile testet, hat die Hütte geöffnet! Vor der Tür schütten wir das Wasser aus unseren Schuhen und treten vorsichtig ein. Wir bekommen keinen Stubenarrest. Stattdessen finden wir uns sogleich vor dampfenden Tee- und Kaffeetassen wieder, begleitet von lockeren Sprüchen des sympathischen Hüttenpersonals. Von meinem nicht weniger sympathischen Guide erfahre ich viel über die Region und über seine Outdoor-Erlebnisse. Ich könnte ewig zuhören. Doch der Blick nach draußen zeigt: Es wird nicht besser, im Gegenteil, die Sicht wird schlechter.
Wir drehen um. Problemzonen fallen nun mal ins Gewicht, und das sind nasse Füße im triefenden Schuh. Bei leichtem Regen mit Aussicht auf trockene Momente lassen sich Biketouren machen. Bei andauerndem Platzregen sieht es einfach anders aus. Schnell ist ein Plan geschmiedet: Am Sonntag soll die Sonne wieder scheinen. Michael hat für diesen Tag noch Kapazitäten … wie wäre es…
 

Geniale Auffahrt mit unfassbaren Weitblicken

Sonntag. Der Name ist Programm. Unter strahlendem Sonnenschein biken wir erneut über Bartholomäberg, dem „Sonnenbalkon des Montafon“, zum Alpengasthaus Rellseck. Dieses Mal zeigen sie sich in ihrer vollen Pracht: die weiten Maisäßlandschaften, Hochtäler und Gipfel von der Silvretta bis zum Rätikon. „Wenn die Gäste hier bereits eine Rast machen möchten, ist das natürlich möglich“, sagt Michael. Wir fahren weiter. 

Der Schotterweg schraubt sich in angenehmer Steigung weiter nach oben, mal im gleisen Sonnenlicht, mal durch Wäldchen. Und dann: freie Blicke ins Verwall. Das Schöne – okay, neben der Tatsache, dass am linken Zeigefinger ein agiler neuer Muskel hinzugekommen ist: Man kann einfach die Seele baumeln lassen und die Ruhe genießen. Und wenn einem nach Austausch ist – die BergePLUS Guides hier haben immer eine Menge Infos, Tipps und Geschichten auf Lager. Einfach nur schauen, wahrnehmen, zuhören. All das, was im Alltag und Konsum-Modus verlorengeht. Und so ist man überrascht, wie schnell knapp 350 Höhenmeter über dem Alpengasthaus Rellseck schon der Bergsattel Alplegi (1.800 m) vor einem liegt. „So, jetzt gehen wir zu Fuß weiter“, höre ich von Michael, als er die Bikes abschließt.

Die meisten werden bereits Trekkingschuhe an den Füßen tragen. Wer jedoch mit eigenem Bike mit Klickpedalen und entsprechenden Klick-Schuhen fährt, sollte leichte Trekkingschuhe im Rucksack mitnehmen.

Wir steigen ein kurzes Stück am Wiesenhang hinab, mit Ausblick auf die Itonskopfgruppe und auf die Alpe Latons, um kurz darauf auf schmalem Pfad links abzubiegen. Es ist ein toller Weg; abwechslungsreich, inmitten vom satten Grün, Alpenblumen und Latschenkiefern – und ab und zu zeigen sich Gipfelkreuze vor uns: der Zwölferkopf und links versteckt unser Gipfel: die Davenna. Im leichten Auf und Ab ist der landschaftlich reizvolle Weg nie anstrengend, insgesamt sind bis zum Gipfel nur knapp 250 Höhenmeter zu bewältigen. Bald ein kurzer Anstieg über Gestein, das eine kleine Geschichte beherbergt. Wie ich von Michael erfahre, liegt hier eine der seltenen Stellen vor uns, wo Kalk mit Muschelschalen auf dem Flysch als Fossilreste zu finden sind. Zeitzeugen aus dem Meer, die vor 25 Mio. Jahren durch den Zusammenprall der Kontinente Afrika und Europa nach oben geschoben wurden. 

Bike & Hike zur Davenna  Impression #1

Nur noch ein kurzes Stück...

... bis zum Gipfel. Dann – was man bei einem Gipfel in 1.881 Meter Höhe nicht erwartet: 360-Grad-Rundumblick! Schon auf der Wandertour auf die Zamangspitze (ebenfalls im BergePLUS Programm) habe ich vom Wanderführer von den 226 Gipfeln gehört, die ich durch die Wolken nicht alle sehen konnte. Auch jetzt mag ich nicht wirklich zählen, mir hat’s eh den Atem verschlagen. Genießen aber klappt hier super!

Michael nennt mir dennoch ein paar Gipfel: Gegenüber die Rote Wand im Lechquellenbegirge, da die Silvretta mit dem Silvrettahorn und Großlitzner, dort die Gargellner Köpfe, rechts der Rätikon mit der Sulzfluh und den Drei Türmen, und dort Zimba und Schesaplana…

Beim Weg retour nehmen wir die vielen Blumen erst richtig wahr. Blaue Alpenglockenblume, Eisenhut, Silberdistel und gelbes Bergjohanniskraut. Ein Polster mit weißen strahlenförmig-dünnen Blüten fällt besonders in unser Blickfeld. „Das ist der gemeine Sternenstaub“, vernehme ich da von der Seite. Ich drehe mich langsam zu meinem Guide um und sehe seine nach oben gezogenen Mundwinkeln. Okay, wir beide müssen nochmal die Schulbank drücken. Der virtuelle Lehrer für die Hosentasche hat aber schon mal eine Lösung parat: Es könnte sich um die Alpen-Küchenschelle handeln.

Bike & Hike zur Davenna  Impression #1

Das bringt mich dann auch gleich auf einen Gedanken: Eine Einkehr wäre jetzt genial! Das Alpengasthaus Rellseck wartet ja. Aber heute scheint unten auf der Alpe Latons ein Wanderfest zu sein. Wir hören Alphörner und sehen einige Wanderer und Einheimische bei regionalen Köstlichkeiten gemütlich zusammensitzen. Klar, dass wir dort mal schnell vorbeischauen wollen, mit E-Bikes ist man ja auch fix wieder oben. Michael erklärt dabei, dass er mit seinen Gästen weitegehend flexibel reagieren kann. Wenn man hier an der Alpe Latons kurz vorbeischauen will, ist das auch okay. Oder wenn hier einige warten wollen, während die anderen mit dem Guide zur Davenna laufen.

Zurück geht’s mit dem E-Mountainbike zum Rellseck, wo der Montafoner Sura Kees und ein Johannisbeerschorle locken. Mit frischer Power fahren wir anschließend auf dem Schotterweg mit spannender Variante hinunter bis nach Bartholomäberg. Vorbei an der barocken St. Bartholomäus Kirche mit der Zwiebel auf dem Turm, bis wir an Infotafeln gelangen. An dieser Stelle, im Friagawald, kamen bei Ausgrabungen eine bronzezeitliche Burganlage und Siedlung zum Vorschein.

Wir zirkeln weiter auf asphaltierter Straße hinunter nach Schruns – in meinem Kopf zirkeln aber schon Pläne für weitere Touren. Danke, Michael, für den genialen Tag!

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