Der Berg als Bühne – und Inspiration

Kulturelles
01.12.2025

Eine Theaterwanderung zwischen gestern und heute

Mit „Grenzerfahrungen am Zauberberg“ ruft das renommierte Schauspielensemble ,teatro caprile' erneut eine Montafoner Theaterwanderung ins Leben. Gespielt wird in den Sommermonaten, an zahlreichen Stationen in und rund um Gargellen – vielschichtig, facettenreich, amüsant. Wer mitwandert, begegnet auf dieser Rundtour historischen Persönlichkeiten, witzigen Persiflagen, treffsicheren Pointen. Mitunter sogar sich selbst.

Text: Franziska Horn

© Philipp Schilcher

Auf einer Sitzbank hockt, mitten im grünen Bergwald, ein „Görlie“ und spricht aufgeregt in ihr Smartphone. „Bin in Gar-ne-len. Ich mach Me-Time!“, ruft sie begeistert. Pinkes Käppi, die Füße auf dem Sitz, daneben ein Rucksack. Sie tönt immer lauter: „ME-TIME! Hast Du mich nicht ver-stan-den? Es ist so megacooool hier! Du musst unbedingt mal herkommen. Weil es ist so sti-hill hier. Ja-ha, es ist to-tal still in diesem sü-ßen klei-nen Bergdorf!“. Mit breitem Grinsen ziehen die rund 50 Theatertwanderer an dieser kurzen Szene vorbei, die Schauspielerin Katharina Grabher so lebensecht verkörpert.

Szenenwechsel. Auf einer Alpwiese oberhalb von Vergalda treffen wir ein Pärchen in Funktionskleidung, händeringend suchen die beiden per Handy den Weg zum Schlappinerjoch. Und verheddern sich immer mehr in den Abgründen digitaler Routenfindung. Wegsuche per App und GPS-Ortung – oder doch lieber altmodisch per Höhenprofil und Kartenlesen? Ergibt manchmal Chaos. Ganz klar: Auch diese von Boris Hanreich und Ildikó Eszter Frank dargestellte Szene namens „Android & Analog“ ist zwar komödiantisch zugespitzt, scheint aber direkt aus dem alltäglichen Wanderleben gegriffen – beide Szenen spiegeln treffend den Zeitgeist.

Neue Wege am Zauberberg

„Grenzerfahrungen am Zauberberg“, so heißt das 2025 neu aufgelegte Programm von ,teatro caprile', das auf die preisgekrönte Produktion „Auf der Flucht“ folgt. Letztere hatte über zehn Jahre lang für ausverkaufte Vorstellungen auf Routen oberhalb von Gargellen gesorgt und mit ihrem intensiven Spiel die Gemüter berührt und bewegt. Mit dem neuen Stück entführt die famose Schauspieltruppe um Andreas Kosek und Katharina Grabher die Zuschauer erneut in vergangene Zeiten, eine ganze Zeitreise steht auf dem Programm: „Wir zeigen die Geschichte des Tourismus von den Anfängen bis heute, wie er sich hier in Gargellen zugetragen hat und abgebildet im Verlauf eines Stücks“, sagt Regisseur Andreas Kosek.

© Philipp Schilcher

In 15 Szenen und „Short cuts“ erlebt der Mitwanderer also den Wandel des kleinen Orts Gargellen, höchstgelegenes Bergdorf des Montafon, von der alten Maisäßsiedlung bis zum beliebten Tourismusort. Hinter der Produktion stehen zudem Montafon Tourismus, Hoteliers aus Gargellen sowie die Gargellner Bergbahnen. „Berge waren im Gegensatz zur landläufigen Meinung nie abgeschieden, wirtschaftliche Not zwang die Einwohner von Bergtälern immer zu saisonaler Migration und Weltoffenheit. Und Handelsrouten über die Alpen dienten schon vor Jahrhunderten einem Austausch an Gütern und Ideen. So waren Bergregionen immer auch Brenngläser gesellschaftlicher Entwicklungen“, sagt Katharina Grabher, die am Konzept der Stücke mitwirkte.

Wo Geschichte und Fiktion aufeinandertreffen

Vom Luftkurort Gargellen, ab den 1890er Jahren ein Ziel für Sommerfrischler, sind es übrigens nur zwölf Kilometer ins nahe Davos, wo Thomas Mann berühmter Roman „Zauberberg“ spielt. Hier in Gargellen nennen die Einheimischen die markante, 2.770 Meter hohe Madrisa gern „unser Zauberberg“. Erstaunliche Parallelen und so überrascht es nicht, dass der Theaterwanderer hier auf fiktive Figuren wie Hans Castorp oder Oberin von Mylendonk trifft, die Thomas Manns Werk entsprangen. Auch reale historische Persönlichkeiten spielen im neuen Stück „Grenzerfahrungen“ eine Rolle, wie die Alpinistin Rose von Rosthorn-Friedmann, Elisabeth Förster-Nietzsche und der Bludenzer Fabrikant Julius Gassner, damaliger Mitbesitzer des Hotels Madrisa in Gargellen.

© Philipp Schilcher

Apropos: Das legendäre Grandhotel Madrisa, 1905 errichtet, beherbergte zahlreiche Größen der Vergangenheit. So kommt es, dass einige Spielszenen gleich hier auf der Hotelterrasse stattfinden, auch das nahe Hotel Heimspitze und besondere Aussichtspunkte sind spielerisch ins Stück eingebunden. Gerade diese genauen Recherchen rund um die zitierten Begebenheiten und Personen der Geschichte zählen zu den großen Qualitäten des Stücks, so dass der Ort Gargellen nie „nur“ Kulisse, sondern immer Teil der Geschichte ist. Und neben gebührend ernsthaft gespielten Szenen sind es die übermütigen Sequenzen, die stark in Erinnerung bleiben. Zum Beispiel jene letzte am Gitzistee, ein übergroßer Findling auf einer Alpwiese, dem die Schauspieler auf's Dach steigen, um eine hinreißend „zickig“ getanzte Performance als Latein sprechende Gämsen hinzulegen.

Ein gekonnter Schlussakkord – und eine amüsante Anspielung: ,teatro caprile' ist Rätoromanisch und bedeutet „Ziegenstall“. 

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