Montafon nachhaltig erleben – geht das?

Bewegung und Bergkulisse all inclusive im Montafon

Das Montafon. Zu allen Jahreszeiten übt es einen magischen Reiz auf mich aus. Am liebsten möchte man bei jeder Gelegenheit in die Berge. Natur, Lebenskultur, Ruhe und gleichzeitig auch Bewegung erfahren. Und klar: Dabei stellt sich immer die Frage: Wie kann ich das verantworten? Könnte man nicht klimafreundlich reisen und die Urlaubsregion möglichst nachhaltig erleben? Die Möglichkeiten und Angebote im Montafon dazu haben mich neugierig gemacht. Ich musste es testen.

Schon der Start ist vielversprechend: Es gibt Direktverbindungen mit der Bahn ins Montafon, ausgehend von mehreren deutschen Städten. Und es ist sogar eine Radmitnahme möglich. Okay, braucht es eigentlich nicht: Im Montafon lassen sich an vielen Stellen Mountainbikes ausleihen.

Klick, Zugfahrkarte gekauft. Mit knapp 70 Euro hin und rück schlägt der Preis jede Kosten für meinen Noch-Verbrenner. Da könnten noch so viele Tankrabatte kommen. Apropos Auto bzw. Nicht-mehr-Verbrenner: Wie ich ein paar Tage später sehen werde, gibt es in Vorarlberg unzählige Möglichkeiten, sein Elektroauto zu laden, ob an Parkplätzen, Einkaufszentren, Hotels oder Bergbahnen.

Auf Rädern erleben

Was mir sofort aufgefallen ist: Das Radwegnetz ist im Montafon sehr gut ausgebaut und beschildert. Man kann sogar richtig Strecke machen. Egal, ob mit Mountainbike, E-Bike, Gravelbike oder Rennrad: Die asphaltierte Route zwischen Bludenz und Partenen beispielsweise führt an der Ill entlang, immer weit entfernt von Verkehrsstraßen. Vorbei an weiten Wiesen und Montafoner Gemeinden. So lassen sich viele Ausflugsziele erreichen. Selbst der Schweiß hält sich noch in Grenzen: Zwischen der 22 Kilometer langen Gesamtstrecke zwischen Bludenz und Partenen müssen nur 400 Höhenmeter absolviert werden. Zurück wundert man sich dann über die rasant drehenden Kurbeln. Wem die Strecken zu lang sind oder wer mit Kindern gerne abkürzen möchte, der kann an einen der Bahnhöfe entlang der Strecke in den Zug steigen (Radmitnahme mit der VMOBIL-App zuvor prüfen). Falls man aber in den Flow gekommen ist, lässt sich die Strecke in der einen Richtung weiter bis Bregenz radeln. In der anderen Richtung winkt ein ganz Großer: Der 3.312 Meter hohe Piz Buin, der über die kurvenreiche Silvretta-Hochalpenstraße von der Silvretta-Bielerhöhe bewundern lässt. Für Höhenmeter-Aspiranten empfiehlt sich, dies als Bike-Runde mit der für den motorisierten Verkehr gesperrten und reizvollen Straße via Kops-Stausee zu verbinden. Man muss aber nicht immer strampeln, schließlich hat man ja Urlaub. Die Silvretta-Bielerhöhe lässt sich auch mit dem Landbus erreichen. 

 

Insgesamt steht im gesamten Montafon ein spannendes Rennrad- und Mountainbike-Netz zur Erkundung bereit. Ob auf eigene Faust oder mit den Montafoner Bike Guides, zum Beispiel im Rahmen des BergePLUS Programms. Die Sonnenbalkentour war für mich gerade im Herbstlicht ein Highlight. Ebenso wie die (E-)Bike & Hike-Touren, bei denen man längere Anstiege auf umsichtig ausgewählten Routen mit den Bikes nimmt, um dann zu Fuß Gipfel zu erklimmen – ganz ohne Bergbahnen. 

Montafon nachhaltig erleben – geht das? Impression #1

Energie gepumpt

So viel Energie und Gefühle, wie man hier auf seinen Touren produziert, kann man gar nicht konsumieren. Da braucht es fast schon ein Reservoir für solche Spitzenzeiten. Das denke ich, als ich auf das Staubecken vor mir schaue. Und davon gibt es hier viele. Das Staubecken für das Wasserkraftwerk Kops II  beispielsweise, ein Pumpspeicherkraftwerk mit der zweitgrößten Turbinenleistung in Österreich. Die gebogene Staumauer war bis 1969 die mächtigste Österreichs. Der Betreiber, die illwerke vkw, ist das größte Energieversorgungsunternehmen in Vorarlberg. Bei so viel Superlative muss einfach Energie überspringen – bis in meine Heimatregion hinein, wie ich überrascht erfahre. Der langjährige Vertragspartner EnBW fordert als Einsatzleiter bei den illwerke vkw je nach Bedarf die notwendige Spitzen- und Regelenergie für Vorarlberg, Tirol – und auch sich selbst an. Die Menge ist beachtlich: Mit zehn Wasserkraftwerken, vier Stauseen und vereinzelten Tagesbecken im Montafon und Walgau stellen die illwerke vkw ihren Partnern derzeit rund 1.770 Megawatt Abgabeleistung im Turbinenbetrieb und rund 980 Megawatt Aufnahmeleistung im Pumpbetrieb bereit. Der Clou: Zwischen Turbinen- den Pumpbetrieb muss die Drehrichtung der Maschine nicht geändert werden, sodass auf Veränderungen im elektrischen Netz schnell reagiert werden kann. Schnell heißt: eine Umstellzeit von unter 60 Sekunden! Und klar: Gerade der Pumpbetrieb gewinnt immer mehr an Bedeutung, um die Spitzen der erneuerbaren Energien Wind und Solar als Energiespeicher auszugleichen. Da haben wir es wieder, das Energieüberschuss-Ding.

Wie man aus verschiedenen Quellen nachlesen kann, wurden hier seit 1917 hier die Wasserkraftbauten immer wieder erweitert. Dazugekommen ist die Erkenntnis, dass dies umsichtig und im Einklang mit Naturschutzorganisationen erfolgen muss. So wurden beim Bau des Obervermuntwerks II Moore versetzt und Fischtreppen angelegt, wie ich erfahre. Für die vor Ort errichtete Betonmischanlage bediente man sich dem Ausbruchmaterial aus den Stollen. Erweiterungen sollen nur in bereits erschlossenen Gebieten und unter Tage vorgenommen werden. Der Hintergrund ist klar: Moderne Anlagen sollen der effizienten CO2-freien Energiegewinnung und -speicherung verhelfen, gleichzeitig möglichst umweltschonend sein und sich natürlich ins Landschaftsbild eingliedern. Eine Riesen-Aufgabe, aber kein unüberwindbarer Kontrast, wie ich zumindest Letzteres wahrnehme. Das Rifabecken in Gaschurn zum Beispiel rückt erst in mein Blickfeld, als ich auf dem Radweg direkt daran vorbeifahre – oder von oben hinabschaue, beim Klettergarten Rifa in Gaschurn. Viele Stauseen, wie der Silvrettasee, Vermuntsee und der Kops-Stausee, sind sogar Touristenmagnete. Vielleicht auch gerade deshalb, weil die Pumpspeicherwerke sich unter Tage befinden. 

Wer mehr über das Thema Wasserkraft erfahren möchte, kann an einer der Führungen der Illwerke teilnehmen. Ganz nah dran ist man auch im Schauraum Lünerseewerk in Latschau , das ich mir anschaue. Allein der Blick in den Maschinenraum ist imposant. Anhand Schautafeln, Film und Modell zu den verschiedenen Betriebsarten wird die Bedeutung der Wasserkraft dargestellt. So erfahre ich auch, dass die illwerke vkw 1.300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigen. Es geht dabei aber nicht allein um Wasserkraft oder weitere Dienstleistungen wie Ladesäulenerrichtung für Elektromobile und Fotovoltaik. Sondern auch um eine andere Form der Energie: die, die wir Menschen tanken. So erschließen die Bergbahnen der illwerke vkw am Erlebnisberg Golm Skivergnügen, Attraktionen für Kinder, wie z. B. Flying Fox und Rutschen bis hinunter nach Latschau und Wanderwege. Dabei sind erste Bemühungen in puncto Nachhaltigkeit erkennbar, wenn es z. B. um Einsatz von Fotovoltaik für den Bergbahnbetrieb geht, um kombinierte Angebote mit VMOBIL als klimafreundliche An- und Abreise zum Golm oder um regionale, lieferkettenunabhängige Produkte in Bergrestaurants. 

Montafon nachhaltig erleben – geht das? Impression #1

Regionalität zum Anfassen

Regionales hat hier im Montafon noch einen hohen Wert. So findet man die lokale Küche mit typischen Klassikern aus dem Montafon und Österreich im Tal und in urigen Hütten auf dem Berg. Ebenso wie Köstlichkeiten und Handwerkskunst, die in kleinen Läden und Bauernhöfen, bei Ausstellungen und Festen oder in ausgewählten Geschäften angeboten werden. 

Um auf die Frage des Artikeltitels zurückzukommen: Ja, hier kann man nachhaltige Ansätze und Lebensweisen erleben und sich bei seinem Aufenthalt daran beteiligen. Für uns Reisehungrige und Outdoorsportler gehört das Thema Nachhaltigkeit fix ins Gepäck. Gleichzeitig bedeutet es noch mehr: Nachhaltiger Tourismus unterstützt die Menschen vor Ort und stärkt die lokale Wirtschaft und die Region.
Die Frage nach Nachhaltigkeit wird immer eine kritische bleiben, denn niemand kann seinen Fußabdruck auf Null setzen, quasi ungeschehen machen. Hinterfragen, bewusst leben und umsichtig agieren ist aber ein entscheidender Schritt. Für mich zumindest scheint hier das Montafon ein geeigneter Ort zu sein.
 

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